Forschungsprogramm

Die europäische Eroberung „neuer Welten“ in Amerika und Asien zog vielfältige und komplexe Formen kulturellen Wandels in den betroffenen Regionen nach sich. Das Projekt geht den Aushandlungsprozessen kultureller Ordnungen nach, wie sie im Zuge der Konstituierung europäisch-christlicher Kolonialherrschaft während des 17. und 18. Jahrhunderts in der Audiencia de Charcas (Bolivien) und den Tagalog-Provinzen (Philippinen) zwischen Europäern, Indigenen und Mestizen stattfanden. Dabei soll der Begriff der „Aushandlung“ nicht etwa über die zeitgenössischen Machtverhältnisse hinwegtäuschen, die zu einer massiven Unterwerfung der indigenen Bevölkerung führten. Er soll vielmehr darauf verweisen, dass trotz dieser Unterwerfungssituation von allen beteiligten Akteuren sprachliche, visuelle und performative Handlungsräume und Medien genutzt wurden, um im Zusammenhang kolonialer Herrschaftsverhältnisse neue kulturelle Ordnungen und Bedeutungssysteme zu konfigurieren.
Mediale Repräsentationen dieser kommunikativen Aushandlungen finden sich in Texten zur Christianisierung und politischen Normierung ebenso wie in religiösen und weltlichen Praxisformen (Rituale, Zeremonien, Feste) oder Visualisierungen bzw. Verräumlichungen religiöser und weltlicher Ordnung in Bildern (Malerei, Skulptur), Architektur, Kleidung, Kult- und Gebrauchsgegenständen. Diese Repräsentationsformen bilden die Untersuchungsgrundlage für die Teilprojekte des Gesamtvorhabens, die Aspekte der Gesamtthematik anhand regionaler Fallbeispiele in städtischen und ländlichen Räumen untersuchen. Die verschiedenen medialen Ebenen der Bedeutungsproduktion sollen dabei nicht nur als Einzelphänomene, sondern gerade auch im Hinblick auf ihr Zusammenwirken analysiert werden.
Die erzielten Ergebnisse sollen über ihre regionale Verankerung hinaus auch für die kulturwissenschaftliche Theoriebildung nutzbar gemacht werden. Der Vergleich zweier „Kontaktzonen“, die sich aufgrund ihres historisch-geographischen Kontextes, ihrer Bevölkerungsstruktur und ihrer Bedeutung für das spanische Kolonialreich erheblich voneinander unterschieden, soll allgemeine Aussagen zu den Mechanismen transkultureller Kommunikation unter kolonialen Bedingungen ermöglichen.